Der Morgen naht, langsam werden alle Lebewesen wach. Der Geist dämmert, will sich noch nicht im neuen Tag einfinden. Zu schön waren die verworrenen Träume, zu sanft der Schlaf. Schritt für Schritt hält der kühle Ablauf der Dinge Einzug. Es ist ein ewiger Kampf gegen den Verlust des Eingebettetseins in das große Ganze. Was wird wohl heute auf mich zukommen? Die Sicherheit des mir anvertrauten Platzes scheint zu wanken. Andere werden kommen, und meine Aufgaben übernehmen. Aber warum soll gerade mir mein Glück streitig gemacht werden? Wenn die Welt aus den Fugen gerät, dann bleibt keine Hoffnung mehr auf Erlösung im Diesseits. Man darf das nicht falsch verstehen: Alles ist ein Auf und Ab, alles ist im Werden und Vergehen. Nur wir Menschen haben es uns – warum auch immer – zur Aufgabe gemacht, den Kreislauf, der sich schon so lange Zeit etabliert hat, zu stören. Wir geben uns nicht mit dem Mittelmaß zufrieden, wollen uns stetig verbessern. Dieses Streben nach Verbesserung nimmt solche Auswüchse an, dass wir uns sogar im Ideal der makellosen Technik auflösen wollen. Zu schwer wiegt die Vorstellung von Unzulänglichkeit und Imperfektion.
Das Vertauschen von Qualität mit Quantität führt zu sonderbaren Phänomenen. Haben wir uns einst von der Ästhetik der Schöpfung leiten lassen, ist nun simple Berechnung unser Taktgeber. Einer Maschine gleich, deren Konstruktionsplan schematisch perfekt dargelegt ist, unterwerfen wir uns dem Input-Output-Muster von Silizium und Datenleitungen. Wir sind nicht mehr traurig oder desillusioniert, wir haben schlicht eine unzureichende Performance. Alles wird vermessen, gesampelt und analysiert. Was uns jedoch mehr und mehr fehlt, ist die Möglichkeit des glücklichen Fehlers, der als Deus ex Machina die Dinge derart durcheinanderwirbelt, dass uns der Schleier der mentalen Enge von den Augen gehoben wird. Und doch ist uns unser Homunkulus, die intelligente Künstlichkeit, so unheimlich, weil sie eben nicht mehr vorhersehbar ist. Kein Entweder und Oder leitet uns durch die Welt, sondern nur mehr ein Vielleicht. Es scheint sich der Kreis der Natur zu schließen, wo wieder alles möglich geworden ist. Nur kurz währte unser Ausflug in die Vorhersehbarkeit, bald sind wir wieder im Schoß der Potentiale aufgehoben. Oh Mensch, gräme dich nicht! So klein, unscheinbar und verletzlich wir in der Existenz auch sein mögen, so weit scheinen wir mit dem uns vom Äther gemachten Geschenk des Denkens!
Grüße, gup