Der Kämpfer

Müde ist er geworden, aber noch immer unerbittlich. Viel hat er schon gesehen, gegen vieles sich gewehrt, und seine Kräfte scheinen zu schwinden. Schon liegt er darnieder, und muss sich heftigst gegen die Umstände wehren, doch er gibt nicht auf – noch nicht. Seine Hände und Knie drohen unter der Last einzuknicken, der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Da entsinnt er sich der alten Weisheit, sein Gegenüber mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. Schon ist er wieder Willens, die Asymmetrie in Harmonie zu verkehren. Ein letzter tiefer Atemzug noch, dann lässt er sich nach hinten fallen, und drückt den Angreifer über sich hinweg. Mit einem Schrei, der einer Mischung aus Verachtung und Verzweiflung gleicht, stürzt das Monster in die grundlose Tiefe. Er muss sich nicht umdrehen, um sein Werk zu überprüfen, er hat bereits zuvor seinen Frieden wiedererlangt.

Nun trübt nichts mehr die lang ersehnte Stille. Der Wind hebt sich nur ein wenig über die planen Flächen der Welt, alles kommt zur Ruhe. Er steht auf, sein Körper dröhnt noch vom Gefecht, das Kribbeln der Ohnmacht provozierenden Anspannung weicht nur langsam. Nachdem er die Augen wieder geöffnet hat, sieht er nur das Blau des Himmels. Die Sinne verlieren ihre Schärfe, reduzieren sich auf ein normales Maß. Glücklich über den Ausgang der Auseinandersetzung sieht der Kämpfer aber, dass sein Sieg seinen Tribut gefordert hat. Die Geschmeidigkeit und Unversehrtheit, die er einst gekannt hat, ist ihm nun fremd geworden. Seine Kleidung hängt zerfetzt von seinem Leib, das Rot des Lebenssaftes ziert die ausgefransten Risse im Gewand. Wie viele Konfrontationen wird er wohl noch erleiden, welche Anzahl an Bedrohungen wird er noch abwehren können? Die Unwissenheit über die Antwort auf diese Fragen lässt in ihm einen bitteren Geschmack zurück.

Und doch kann er sich als glücklichen Menschen schätzen, hat er doch immer wieder die Überhand über das Leben behalten. Hat er doch so viele schöne Momente der Eintracht und Andacht erlebt, die ihn nie am Sinn des Daseins haben zweifeln lassen. Es beschleicht ihn das Gefühl, dass er sich irgendwann dem Gesetz der Welt wird fügen müssen, dass auch seine Zeit nicht ewig währen kann. Seine Taten dienen nur als Vorbereitung auf eine Aufgabe, deren Ausmaß er jetzt nur erahnen kann. Einmal wird die Zeit kommen, sich einzugestehen, dass er zwar alles richtig gemacht und alle Optionen abgewogen hat, und seine Entscheidung so klar wie kaltes Bergwasser gezeichnet ist. Doch wird er dann das Spiel mit den Kräften verlieren, und den höchsten Preis für seine Existenz bezahlen. Mag dies für Umstehende als Tragödie wahrgenommen werden, er wird seine Augen in freudiger Erwartung auf das Nachher für immer schließen.

Grüße. gup