Kommemoration

Wem gebührt Ehrlichkeit? Dem blinden, dem schmächtigen, dem eingeschüchterten Menschen? Kann ihm denn noch mehr zugetraut werden, als ihm sowieso schon aufgeladen worden ist? Auch wenn es die heilige Pflicht ist, niemandes Ehre zu verletzen, und ihm alle Erfahrung zuteil werden können muss, die in dieser weiten Welt zu ergattern ist, so bleibt doch ein bitterer Beigeschmack im Zwang, der Wahrheit stets genüge zu tun. Sie muss walten können, sie muss in ihrem Angriff auf die Unwissenheit unterstützt werden. Schreiend renne ich mit ihr, spanne all meine Muskeln an, um zum entscheidenden Schlag auszuholen. Doch etwas hält meine Furiosität zurück, dämmt sie ein, nimmt ihr das finale Quäntchen Kraft, das für ihren großen Sieg notwendig ist.

Wem gebührt die Lüge? Wen darf ich niemals zum Licht der Wirklichkeit führen? Muss ich denn solche Grausamkeit an den Tag legen, nur um der Einseitigkeit Einhalt gebieten zu können? Der, der lernen will, wird selbst vom Baum der Erkenntnis essen. Ihn muss ich nicht durch gutes Zureden motivieren, er bereitet sich seinen Weg selbst. So sind wir Brüder im Geiste, fordern nichts von einander, aber haben uns sehr viel zu schenken. Erst wenn die Zeit reif sein wird, können wir uns mit einem herzlichen Handschlag verabschieden, um friedlich unserer Wege zu schreiten. Dann wird die Sonne aufgehen, hoch am Firmament stehen und letztlich in goldenen Farben im Horizont versinken. Froh wird mich dann das Vergessen empfangen, doch meine Seele wird vor neuen Erinnerungen nur so strotzen.

Grüße.