Inzucht

Die Kapriolen erreichen ihren Höhepunkt. Lustvoll schwingen sich die Menschen nach oben, genießen ihre Zeit des Ruhmes. Einer zieht sich über die Schultern des anderen weiter. Es scheint, als wollten sie auf diese Art nach den Sternen greifen. Von fern schaut diese Aktion spektakulär aus, ja fast künstlerisch. Wer wollte nicht in diesem frivolen Reigen mitmachen, sich dem Getümmel der Leiber hingeben? Sind doch die Berührungen so intensiv, so vertraut und letztlich so einprägend. Einem heißen Bade gleich, schmiegt sich die Aufmerksamkeit um den eigenen Körper. Zwar wird man wie ein Zuchttier gemustert – soll der Handel doch ein fairer sein –, doch winkt in der Ferne die Verheißung des Aufstieges in ungeahnte Sphären.

Schrumpft die Entfernung zu diesem ganzen Vorgang, dann offenbart sich dessen schmutzige Seite: Wenn das eigene Fleisch zum Verkauf steht, dann ist der Verdienst nie hoch genug, um die Ungnade vor dem Herrn ertragen zu können. Einst waren wir unschuldig und selig gewesen, nach dem Geschäft bleiben wir als befleckte Opfer zurück. Wem können wir später von unserer Pein berichten, wenn keine Ohren mehr zu hören über sind? Für eine bessere Stellung am Firmament geben wir das Preis, was einst unser kostbarstes Geschenk gewesen ist. Wir geben unsere Unschuld für etwas her, das uns in keinster Weise gebührend kompensieren kann. Nicht das wir das im ersten Moment der Versuchung bedenken würden…

Ich will mich nicht als Richter sehen, der sich bemüßigt fühlt, über die verlorenen Seelen zu urteilen – bin ich doch selbst kein Heiliger. Es bleibt mir nur die rationale Distanz, die die Dinge nicht in ihrer faktischen Gegebenheit verorten kann, weil es mir entsagt ist, das eigene Gemüt als Messlatte zuzulassen. Werden wir doch alle einmal zur Erde zurückkehren, die uns nicht für unsere Verfehlungen bestrafen wird. Sie wird uns in ihren Schoß aufnehmen, und uns mit Leben umgarnen, für das unsere Materie dann als Grundlage dient. Wer weiß, vielleicht werden wir dann erst recht Teil einer erotischen Ekstase sein, und uns ein Leben lang umsonst gesorgt haben.

Grüße.