Der Denker

Die Hand am Kinn, den Blick nach vorne in die Ewigkeit, so hängt er ruhig in den Äonen des erblühenden Universums. Was sein Geist zu erfassen im Stande ist, kann nur ansatzweise erahnt werden. Wer würde es auch wagen, ihm mit seiner Unzulänglichkeit die Stirn bieten zu wollen? Seine Augen sind weise, sein Gemüt ist ruhig. Die Zuversicht, die durch seine gedankliche Versunkenheit entsteht, mag nur eine äußere sein, eine virtuelle Gegebenheit, die ihm womöglich zu Unrecht aufgebürdet wird. Doch schenkt sie den Außenstehenden Muße und Geborgenheit: Nicht im Fernen, noch Unerreichten liegt Vollkommenheit, sondern im Augenblick. Nur der Fokus auf die Welt als ein gesamtes, unfassbar großartiges Jetzt kann über die eigene Vergänglichkeit hinwegtrösten. Einem Fragenden diese Erkenntnis zu verwehren, grenzt an eine unverzeihbare Gräueltat.

Über seinem Kopf schwebt die Nacht. Sie ist kein leeres, weißes Blatt Papier, das die Eigenschaft besitzt, Gedanken als Worte oder Bilder aufzunehmen, um sie anderen zeigen zu können. Vielmehr handelt es sich um den Ausdruck aller Gedanken auf einmal, die es erst durch bewusstes Auseinandernehmen zu sortieren gilt. Es sei aber ein Wort der Vorsicht angebracht: Wird die Analyse zu weit fortgesponnen, dann beginnt sich nicht nur die Dunkelheit zu verflüchtigen, die die unbekannte Welt repräsentiert, sondern auch der Denker wird lediglich zum Begriff der reinen Möglichkeit. Er kann dann nur mehr noch als unbestimmte Wesenheit in den Köpfen anderer nach deren Bildern geformt in die Welt treten, was zwar eine Neugeburt bedeutete, die aber nicht die seine wäre: Um ihm nicht die Grundlage seiner Existenz zu nehmen, müssen wir ihm den – wenn auch klar eingerahmten – Platz für seine Gedankenspiele lassen. Dieser Platz ist seine Lebenswelt, und wird dadurch gleichzeitig die Bestätigung unseres Seins.

Grüße!