Das Band

Es ist kalt. Den ganzen Tag war es schon frostig und ungemütlich. Das Haupt zu Boden gesenkt, die Gedanken tief im Geist vergraben, so ist der Tag schließlich zu Ende gegangen. Nichts Bewegendes ist passiert. Keine Revolution hat sich eingestellt, um dem konformen Dasein die Stirn zu bieten. Nur die Kälte war der einzige und hilfsbereite Freund, der mir dir die Hand gehalten hat. Der Frost hat die Verbindung starr gemacht. Zumindest im Winter war sie nicht zu lösen. Erst langsam zeichnet es sich ab, dass die bangen Stunden der Wärme Platz machen werden. Doch spüre ich die erlösenden Strahlen der Sonne nicht. Zäh und straff wälzt sich der lange Stoff in die Ferne. Ich kann noch die Falten am Horizont erkennen, die von seiner Allgegenwärtigkeit zeugen.

Laufen will ich, den Häscher hinter mir lassen. Doch so weit ich auch komme, und dem Faden an Stärke abspenstig mache, so bleibt doch ein kleiner Rest an Bindung zurück. Ich dehne und strecke das Geweben, ich will es mit furiosester Inbrunst zerreißen, doch scheitere ich jedes Mal aufs Neue kläglich. Wie weit ich mich auch entfernt wähne, es zieht mich doch ohne Unterlass wieder an meinen Ausgangspunkt zurück. Was auch immer ich zu halten suche, kann der rohen Kraft keine Gegenwehr bieten. Die Gefühle überwältigen mich, zwingen mich zur Stille. Ich will schreien, die Ketten sprengen und mir die Freiheit mit meiner Gesundheit erkämpfen, doch ich scheitere abermals.

Bin ich wach, so drohe ich einzuschlafen. Will ich ruhen, so bleiben mir die Augen unverschlossen. Nichts ist der Gewalt der Liebe entgegenzusetzen, kein Kraut gegen sie gewachsen. Und doch leitet sie mich in die Irre. Denn will sie mir auch nur die einzig tröstliche Zukunft zeigen, so hat sie doch vergessen, dass ich meiner Vergangenheit unlösbar anhafte. Nicht alle Tränen der Welt vermögen es, den Fluch zu brechen und mir die Freiheit zu schenken, die ich mir so sehr erhoffe. Doch mit der Kälte kommt auch Gelassenheit. Zwar will ich es nicht akzeptieren, doch muss ich mir eingestehen, dass mein Begehren letzten Endes nur die gleichgültige Einsamkeit herbeirufen kann. Und wenn sie dann an der Reihe ist, um die Hand anzuhalten, dann wird selbst die Kälte zum heiß ersehnten Freund.

Grüße!