Ja, ich bin wieder einmal eines Besseren belehrt worden. Diesmal war nicht ich der Philosoph, sondern mein Gegenüber. Der Ausgangspunkt war - wie es für Gespräche in ungezwungener Atmosphäre eher typisch ist - die Wirtschaft. Als Wesen, die es verstehen, sich mehr anzueignen, als sie besitzen, ziemt es sich, Fragen der Verantwortung tunlichst dort zu deponieren, wo sie unbehelligt ihre Existenz fristen können; da sollen sie sein, ohne auf uns zurück zu fallen.
Was ist unsere Existenz eigentlich wirklich? Wir sehen uns in unserer beschränkten Weltsicht als die Herren/Damen der Schöpfung, die sich auf den Lorbeeren ausruhen, die andere für uns Ernten. Ja, es ist uns eine Selbstverständlichkeit, das zu haben, was wir wollen. Wir hungern nicht, wir frieren nicht, wir sind privilegiert. Weit weg ist das Übel der Welt, das dort wütet, wo uns die Statistik die Opfer nur als Zahlen erscheinen lässt, nicht als empfindsame, liebende Wesen, die wohl nichts anderes wollen können, als existieren zu dürfen.
Wir nehmen unseren Mund sehr voll, wenn wir daraus unsere moralischen Handlungsimpulse gerechtfertigt sehen, indem wir auf das Recht beharren, das zu sein, was wir sein wollen. Aber sind wir eigentlich das, was wir sein wollen, oder gilt für uns die gleiche Manipulation, die schon immer dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass der-/diejenige sich durchzusetzen vermag, der/die es am besten versteht, andere für seine/ihre Zwecke einzusetzen? Dies mag wohl - um der Verdrängung Tribut zu zollen - “unbeantwortet” bleiben.
Wir wollen alles, was wir haben (können). Es ist unser Wesen geworden. Schwerfällig schreiten wir daher durch die Welt, und können uns nur um uns selbst kümmern, weil etwas anderes aus eigener Kraft gar nicht mehr möglich ist. Und da offenbart sich mir ein Gedanke, dem ich sehr ambivalent gegenüberstehe, ja gegenüberstehen muss: Es ist schon in Ordnung, so wie es ist; sonst wäre es ja anders, oder nicht? Mit diesem Gedanken als Egoist ertappt, breche ich mir einen Zacken aus der Krone, und vergebe mir selbst für meine sündige Tat. Und warum? Weil ich dazu in der Lage bin, und andere nicht?
Scham dringt in meinen humanistisch geprägten Verstand vor, und ich verstecke mich wieder.
Grüße.